lanzarote

 

zwischen den jahren ist nicht ewig

durchstanden der tosende feuertanz

und  das gemäuer hinab rinnt schweflig und träg

sein stummer nachhall 

 

lebensgrau, aschenen atems

schattengleich und wortlos steigst du ab

vergessener heimkehrer 

im handgepäck dein glimmendes souvenir

ich konnte es nie 

aber saug und sauge, um nüchterner und wehmütiger zu werden

ein vakuum, ein karren gebrochenen rades im schutt

 

und immer noch halluziniere ich blumen 

denk an lanzarote

fühlst du das feuer

asche ist fruchtbar

die insel lebt

verlässlich, klug und heiß 

fügt sie sich bebend höheren gewalten

 

wenn morgensonne durch weiße dünen zieht und

schicht für schicht steinerne höhen mit weichheit vergoldet

kommen die dankbaren stunden 

und aufrichtig teilen wir erinnerungen

tauschen verstohlene nähe

gegen ein herz und ein heim

 

gekommen und angekommen

treu und warm und haut an haut 

unter einem anderen himmel

zu einer anderen zeit

lanzarote

endlich bei dir

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

sabah und die bunten tücher meines herzens

(eine hommage an das ägypten in mir)

 

im abendrot das ferne auf und ab von sabahs „yana, yana"

schnappende cymbeln zum dumtak der darboukas

unter den seufzern vom himmel betrunkener geigen

raschelndes gold an fraulichen hüften

schultern, getragen von wellen des roten meeres

umspielt von der leichten brise einer ney

in der nacht, die nicht vergeht

 

ein lächelndes sabah al cher, ya baba

dann, nach dem täglichen foul, tamiya und bed

an der seite meines hageren, alten herrn 

in lederschloffen und galabeya

auf staubigen wegen durch treibende gassen

zum souq

wir haben erbarmen mit den hühnern

ergattern  einen üppigen strauß  molokheya

samak und alles was man braucht

für kosheri und baba ghanoush 

 

komm, meine schwester, meine auserchorene 

lass uns waschen, hacken und kochen das chodar

es gibt zum aisch eine wunderbar sämige molokheya

und hitze will mit sattem magen

überschlafen werden

 

im gedämpften licht des corniche el nile

werden händchen verstohlen  gehalten

und stimmen in räumlicher weite sanfter

vor den roten leuchtfäden kriechender blechkarawanen

gleiten verliebte in booten ungewöhnlich still dahin

 

salziges rinnsal zieht glanz über meine wangen

 

ich breite die bunten tücher meines herzens aus

atme die gerüche der vergangenen zeit

erkenne mein erbe tränenreich

in der wiedervereinigung

der welten, die in mir wohnen

 

bukra fi mish mish!

sehnsüchtiger und ganzer

könnte ich nicht sein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Collage aus: Maria, Die Fenster zum Hof

 

in meinem schoß 

dein weißer puls

zärtlich sein licht 

 fließt mit den jahren

zu dir

menschenwürde

 

unantastbar

dachte ich und

durchwachte die nacht

mit den augen einer muttereule

 

kleiner mann

auf der anderen seite der berge

nimm deinen bagger

und grab einen tunnel weit, weit unter den kuppen

ich schicke dir mein lächeln hindurch

 

auf dieser seite

die zuflucht meines bauches

gegebene natur

wo auch immer die herren der welt

ihre macht ausfechten

 

und macht es dich auch zum herrscher aller herrscher

vergiss nicht, wenn du fällst

dein ursprung ist

ehrbar

unbescholten

unwiderruflich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen an die Zeit in Bonn am Rhein

 

 

the grass I grow

 

the grass I grow is green and nice

I paint it through the barbed wire

and water is a strong advice

when time and words are just to hire

for dripping all my pain to life

to get in kind of touch

 

you are so far and yet so close

don‘t think this is not much

 

the grass I grow comes out of you

the past you didn' t mean to do

and drip by drip you grow into my life 

 

I'm green to know, the breath I breathe

comes out of you and throughout me

and tear by tear is how we once arrive

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 am bootshaus

 

einst buttrig glänzend in hellem blau

reisst spröde nun die fahle haut von grauem holz

verkrustet mit schlamm

die boote im schuppen

das brot des italieners

 

auf der terrasse

die tische verblichen, vom wasser geleckt

das in aschern vertümpelt, bis es über die ufer tritt

an den mauern teppiche aus moos

 

formationen von püppchen steppen

auf den emporen des ehemals blumigen geländers

unermüdlicher regen

ich bin seine wolke hoch über dem fluss

 

stromaufwärts

die struppigen buhnen umschäumt 

vom nicht-komm-nicht-geh-nicht-bleib 

deiner augen

in den buchten gestrandetes porzellan

 

ich bücke mich nicht

nach dem blindgespülten geschirr

dreh mich im wind, flussabwärts das gesicht

mein rücken ein tuch

und stark in meinen adern

der sog nach haus 

 

 

der frieden der welt

 

für meinen Sohn, all meine Geschwister, meine Familien in Deutschland, den Niederlanden, England, Surinam und Ägypten und für unsere Vorfahren und Nachkommen

 

 

sehnsucht der erde

entsprungen aus fernen kontinenten

gestrandet in mir 

lebenswille unserer vergangenheit

wie rastlos wurde ich von dir getrieben?

wie haltlos ließt bis hierher du mich irren?

welch schar von kindern zogst unausweichlich du in deinen bann?

 

mutter der generationen erbe 

eines reifen ungeborenen drängende kraft

ausgehalten und ausgetragen

in den endlosen stunden meines halben lebens

öffne ich mich

zu gebären, was in uns gewachsen

zu schützen, was heut und morgen unter uns verweilt 

 

tochter der verdrängten und verdrängenden

warte ich auf euch

mein bruder, meine schwestern

zu gehen an der hand althergebrachter angst

mit dem stolz auf unseren reichtum an erfahrung

über die hochburgen

durch die täler der kulturen

hinweg über die grenzen der vergessenheit

zurück zum seelenfrieden

 

denn nichts anderes ist 

der frieden der welt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

pflaumenzeit

grenzenlos - von Bocholt über Dinxperlo  bis  Kairo

- ein Blick über den Tellerrand aus dem "Bokeltse Koffiehus"

 

 

hier bin ich

beeltert von sonnenstrahlen

unter den bögen meiner alten stadt

kehre ich zurück

zum moment der geburt

tauche hindurch

sein stimmenmeer schleust mich

hinein in das treiben, aufs tragende pflaster

gestrickt an heiteren wochentagen

umkorbt von stühlen, aus rattan gewebt

in den duft von kaffee und tabak

benachbarter damen und herren mit fernen augen

dunkel, nicht von hier

tauche ich durch

geschichten von aprikosengelee

und mamas im garten gereifter tomaten

in die stunde der muezzins, die gleich schafen

ihre rufe über die dächer schicken

wie die sahara ihre böen

menschensand

es träumt mich in dieser sprache 

und denkt mich darüber in der anderen

aber nein

nicht bin ich dort statt hier

ganz auf dem boden des marktes

in der kühle des brunnens

durch sandsteinbögen

mein blick auf blondgezopfte  sommermädchen

den blumenmann

geschäftig ins leben vertieft

sind wir 

vor dem hochaufgetürmten möhrenwagen

der winzige junge auf seinem kamel

über den köpfen aller

körbe mit wovon wir leben

das miya alshurb  und aisch eines jeden

und mittendrin ich

es ist mir als seien es brückenpfeiler

als hallen die stimmen

im schatten der staubig befahrenen bahnen

darüber das hupen der metropole

das carillon im turm und

vor mir die tafel der pflaumenzeit

 

hier bin ich

das alles in mir

dazwischen gibt es nicht mehr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

sadiqi

(in Erinnerung an Sharm el Sheikh, 23. 07. 2005, ausgehend vom Besuch im Cafe Sadiqi)

 

"sadiqi" über dem spiegel des schlafenden meeres

gelegen auf kupfernen küstenfelsen

es lauern im dunkeln die boote wie alligatoren

arglos der abend

und du, mein maqhaa, dein heimliches treiben so schön

so trügerisch still

 

riss durch die nacht

in der ferne die träume zerstieben 

der duft der shisha zersplittert an deinem gesicht

wellen von rollendem, dröhnendem dunkelblau

scherben in die tiefe in meiner seele

 

umzingelt im taxi

warst du mir ein fremder chauffeur

bewarfst mich mit schuld

inmitten der massen 

sie schreien noch immer 

erkannte ich dich

und kannte dich wieder

immer wieder

 

betäubt vom gift deiner wut

meine angst ein schändliches rot

 

totgeboren unsrer träume hoffnung 

 

dort noch am anfang war dies unser ende

so schwer auch zu fassen

ich weiß nun genau um das wort

mein leben

sadiqi

ist ein anderer ort

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

in deinem namen

 

niemand sieht, wer du bist

unter dem teppich der angst

geknüpft von fremder hand in deinem namen

 

ein heer von füßen tritt über dich

im wirbel der macht bleibt nur

der staub deiner schuld

 

wellen, die dich nehmen 

ziehen fort, als habe es dich nie gegeben

nur der geruch deiner scham

beflügelt den stolz der sich erhebenden

 

deine kinder heften ihre blicke an den himmel

deine eltern auf den boden

und im land deiner träume 

fürchtet der hunger

um die eng gewordenen plätze

 

wir splitter zerschlagener welten

schatten einer sinn verzehrenden zeit

drängen zuhauf, dein wasser zu teilen

 

rinnsal des menschseins

fülle den krug, der wir sind

dass es jeden tag reicht 

für die kraft 

in deinem namen zusammenzustehen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

das verborgene meer

 

mama

ich habe ein meer von blumen für dich

verborgen  in meinem herzen

dass niemand mehr sie pflückt

und ich habe eine hecke um mich herum

jemand muss es schützen

mein herz

 

wenn ich kratze

verstehst du warum

jeden ast, den der nachbar in den müll wirft

hole ich zurück in meinen kompost

 

mama

im meer leben muscheln

sie lieben die freiheit

sie sterben im glas

und am grab unter der hecke

hast du meine tränen verstanden

 

was für ein glück

mein herz ist nicht aus glas

ich kann fühlen, wie es wächst

jeden abend

mama

lehne ich an dir

bei den blumen

am meer

 

eines tages

bin ich stark genug

eines tages 

öffne ich mein herz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

jünger als die welt

 

ich suche dich

ich reiße meine augen auf

als seien sie über nacht erblindet

du fehlst

und ich treibe allein 

in schwarzen, bodenlosen räumen

auf dem wasser nähern sie sich lautlos

stülpen über mich

ein gefängnis 

aus absterbenden armen meines herzens

doch 

deine worte

deine gesichter

sind mir ein unsenkbarer rumpf

unsere ungezählten stunden

mein zuhause

geschichten wie segel im wind

jünger und weißer als die welt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

immer und überall

 

mitunter hast du für dein kind

nur das nackte recht zu sorgen

mitunter hat es nur

das nackte recht von dir umsorgt zu sein

so wie die menschenrechte gelten

nackt 

und immer

und überall hoffe 

auf dein welten eröffnendes herz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

die weber

 

kunstvoll unser handwerk

freiheit in der größe einer träne

wie kostbar das verlangen 

uns zu verweben 

endlich mit den leben unsrer lieben

 

trinken wir den tee

faden gibt es reichlich

der flachs schon gekämmt und schon gesponnen

nehmen wir das schiff

ins tuch zu schießen 

glänzend, stolz, zum greifen nah die unsern

 

in den mustern legen wir uns grund

in den fehlern kennen wir uns wieder

in der träne schlägt der freiheit stund

sanglos spulen der maschinen lieder

 

 

 

 

 

 

 

 

die reise des momentes

 

der moment

der mich trennt

stürzt mich in gnadenlose tiefen

ausgedehnt

in der unterhöhlung entronnener zeit

 

manchmal

im blitzlicht eines einzelnen bildes

reisst mich die hand zurück 

der spiegel meines gegenübers

zerbricht

im lockruf innerer welten

spielt mich schmerz mit verräterischen fratzen

stellt mir das rätsel

der reise eines solchen momentes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

in der luft, die uns umwarb

 

das schamverlies

hinter uns gelassen

fanden wir exil

in den wänden unserer seele

schenkten unseren nachzüglern

den namenlosen

einem nach dem anderen

das gesicht ihres lebens

hielten ihnen die sammler vom leib

die sie ausstellen würden wie souvenirs

mit der freiheit verlorengegangener

durchgruben wir verbotene gefilde

und erreichten einen anderen

farbigeren himmel

der uns weiter, stolzer machte

mit gewölben so stark

dass die ahnen ihre augen hoben

und uns durch versteinerte schichten 

die hände reichten

so fanden wir uns

inmitten der säulen unseres palastes

und es war das wunder der geburt

in der luft

die uns umwarb

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

noch im fallen

 

noch im fallen

bin ich würdig 

ein blatt zu sein

wohnhaft in den armen

des unergründbaren windes

 

noch im fallen

lausche ich

dem niemals ausgesungenen

versunken im flügelschlag

einer königin

die ihre kinder bettet in den waben ihres volkes

 

und fängt mich die erde

bin ich gewiss

dass auf das grün meiner tage

deine zartheit folgt

still und unergründlich

noch im fallen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

surinam    

zum Weltgebetstag, 02. 03. 2018

 

welten reisend wurdest du geboren

zwischen polen wandelt‘st du umher

bald die tiefen deines volks erchoren

frei zu strömen durch das weite meer

 

meine heimat leuchtend in den sternen

rot und gelb und weiß und schwarz und braun

allen kindern nah und in der ferne

in die seele achtungsvoll zu schaun

 

eines bunten dorfes weltgeschichte

liest die karten aus der offnen hand

uns zu weisen kind zu  sein im lichte

leben wie die erde es verstand

 

 

 

 

 

 

 

 

der hunger der welt

27. Juli 2018, mondfinsternis

 

unter dem kartoffelmond

meere eingefallener augen

leeres greifen

nippen an der ellipse des lebens

 

verschattet in orangenträumen

die gesichter der trabanten geier schon

des todes schwingen

über vater land und mutter erde

 

macht hungrig der blick in den himmel

aber er

wollte doch alle satt sehen

fügt sich bemundraubt seines willens

im tausch gegen das vergessen

den klagenden dürre

 

gebt ihm zurück

so gebt ihm doch zurück

was ihm gehört

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

wolfsliebe

 

uns sind schneebedeckte berge

wolken

in der brise unserer gedanken

zielfrei und unstrebsam

ziehen wir wohin kein treiben führt

leitwolf still und stark

der tiefe blick in dich und mich

weiße berührung  

unter dem abdruck des blutes

kraftvoller weg in den spuren

unsres seins

 

 

 

 

 

 

 

 

die ewig reisenden

 

tief in den wogen unserer fantasie

wagnisse klingender tonfolgen

zaghafte bande der hoffnung

von mir zu dir zu mir 

ineinander gespielt 

wölben sie sich zu bögen

breiten sich aus wie die schwingen ziehender vögel

mit spannung gepolt auf das, was uns leben verspricht

sehnsucht eingehaucht

erhebt sich gesang in die pfade der lüfte

puls unsrer melodie

aufwind der liebe

getragen von dir

sind wir

die ewig reisenden

niemals allein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf Wiedersehen im nächsten Raum!