IV.

eine liebe - tiefer als die gräben des krieges

 

 

 

 

1

 

 

du mein herz

 

du mein herz, wie reich

ist deine sehnsucht

und deine träume hell wie sterne

in der nacht

ein jeder stein auf deinem weg

verlangt nach namen

und eine mauer schützt, was liebe

hat vollbracht

 

so tief vereint sind deine welt

und meine erde

gewiss die zeit erfüllt dem warten

seinen sinn

es kommt der tag, an dem aus mauern

brücken werden

und die erinnerungen fließen

zu uns hin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

2

  

so wie wir sind

 

mein herz, stark und voller liebe 

erschüttert und fortgestoßen

verstrickt und eingebunden in ungewollten kampf

dass auch niemand sehe - und sehen wolle

wie hell meine sonne strahlt

wie warm meine seele ruht

bis endlich sie erlöschen möge

 

doch bricht selbst auf der kleinste spalt 

zu großen, unsichtbaren räumen

dich

der du kommen magst

die wahrheit auf bloßen händen zu tragen 

dich erfülle ich und mich

und so wie wir sind

sind wir gut.                                               

 

 

 

 

 

  

3

 

nicht  genug

 

du und ich, in seelenverlassenen häusern

beatmet von zwietracht, zerklüftet, verwittert und bang

schatten, unscheinbare zeugen unserer liebe

sie schleichen im dunkeln verborgen die gassen entlang

 

hinter verbretterten fenstern, da schlagen wie flammen

boshafte zungen die starrenden wände hinauf

die wärter und wächter sie schreiten gemächlich von dannen

sie glauben so fest an das schicksal, sie schauen nicht auf

 

könnte der regen sie ächten, er schäumte das feuer

er malte die farbe des schmerzes und löschte den brand

er spülte die gossen, die rinnen in unserm gemäuer

und zeigte die narben in jeder gesplitterten wand

 

gleich gift würde er in den kampf* sie zwingen

und ihren schößen die hände abringen

 

unsere türen, die wurden mit schlössern verriegelt 

verbunden die augen, dass einer vom andern nichts weiß 

wie brennendes vieh, so rammen wir blindlings die ziegel

es knacken die hörner, es bluten die wunden ganz leis

 

nichts ernten wir als ein schwelendes schweigen 

schärfer und bittrer als asche in glühender luft

und draußen da fächeln sie weihrauch mit lieblichen zweigen

und heben mit amtlichem stolz schon die zweite gruft

 

du und ich, wir sind ihnen nicht genug

du und ich, sie raubten den bauern den pflug

und in ihren schößen die bleiernen hände

sie decken so sehr, erbarmungslos schwer 

und gnadenlos ihren betrug

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4

 

der veteran

 

 

die riemen durchtrennt, die gänge gelöst

im sich überschlagenden schub einer aufgebrachten dekade

durchbricht sie peitschend planken und

rast verhetzende parolen grölend

blindlings ihrer vernichtung entgegen

ein volles jahrzehnt

zeit meines lebens

endlose schleife der kapitulation

reißt mich mit krachendem getriebe

ins unbestimmte

 

ächzend schlage ich auf

klagende trümmerwände

die allerletzte:

bedeutungslosigkeit meines gottvergessenen ichs

schmerz

sechszackige sterne, gebrannt in meine seele

entraubt ihrer physischen existenz

 

ich suche sie, die kriegsmaschine

jenen verlässlichen, grausamen begleiter

den alles umgebenden koloss

aber der starre rahmen meines enggestellten blickes wird gesprengt

 

in schmierigen, zäh reißenden säulen

klatscht das öl meines lebens

jäh auf kalten grund

zu den gefallenen - helden und antihelden

im nachhall ein röhrendes

wo-bist-du? und wer-bin-ich?

 

ab und an

fetzen von licht

durch rissige fugen meines gedankenschachtes

ein quälendes nicht-in-meiner-macht

 

sinniere ich oder sehe?

gibt es noch wirklich ein draußen?

hört wer vielleicht meinen stoßenden atem,

den gellenden, lungenumstülpenden schrei?

 

zweifelnd am stillstand der elend bringenden walze

harre ich kämpfend

zucke noch mehr als

mich aufzusammeln

bis es mich stumpf, wie von weitem gesteuert, versetzt

schlag für schlag

tritt für tritt

träne für träne

ins freie zu klettern

im gegenlicht dich

du verlassene, herzerwärmte seele

wartend zu finden

rosen in deinen händen

aufrecht gewachsen aus den narben unserer zeit

 

ach

könnte ich ihren lieblichen duft einziehen

und einfach so still

wieder neben dir gehn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5

 

 

immer neu

 

 

in diesem tief durchrissnen tal

streif starrend ich die nacht

bis deine raue seelenqual

ihr lebenswerk vollbracht

ist meine liebe uferlos

so bar von jedem halt

es strömt aus großen höhlen bloß 

wie ich sie gern gemalt 

wir zwei vereint so arm in arm

in wohlverdienter ruh

das schöne bild, es hält nie an

es treibt nur immerzu

es reisst durch jede zelle mir 

und treibt an dir vorbei

kein halt ist jetzt,  kein halt ist hier

es reisst nur immer neu

 

 

 

 

 

 

 

6

 

die gräben des krieges

 

wenn die waffen für immer schweigen

werden die ketten des krieges unsichtbar 

und manch einer greift mit der hand ins getriebe

denn ein schmerz muss doch ein schmerz sein

die liebe doch die liebe

ein verlust ein verlust

und ein tod ein tod

 

das gebliebene in gefangenschaft

der kampf, ein hungriger parasit

die heimat, sie  

kennt uns nicht mehr

 

stockholm ist weit

doch viel zu nah

was ich zu vergessen gedenke, rückt mir auf den pelz

wie der lauf eines feindlichen gewehres

was ich umklammre, desertiert hoffnungslos in die ferne

 

zu fuß erreiche ich dich nicht

 

allein in den modrigen schützengräben

liege ich und 

wälze die erde um, dort, wo 

am abgrund die  trauer ihre wurzeln schlägt

warte

dass mir  flügel daraus wachsen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7

 

1000  rote sonnenblumen 

wachsen bis ans meer

1000 rote sonnenblumen

lieben dich so sehr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8

 

 

meine hand an der mauer

 

wie ein bergfried harrst du

dein herzschlag 

im brand erkämpfter sold

durch scharten teilst du den himmel mit mir

wenn die kriegsmühlen stocken

findest mich stets

meine hand an der mauer

wo du bist 

werden steine warm

 

 

 

 

 

 

 

 

 9

 

unbegreiflich nah

 

 

so unbegreiflich nah bist du

dass ich von zeit zu zeit im schmerz verharre

 

ich sehne deine hand ganz warm in meine hand

die furcht, sie zu ergreifen, reisst an mir

und wünsche meinen kopf ganz weich an deine brust

doch ihn dir nicht zu lassen, macht mich irr

 

was nicht

haben wir für die liebe gegeben?

 

verflossen, zerrüttet im einstigen leben

sind wir nun hier traurig

verletzt und verbunden

und wähnen in innigen zärtlichkeiten

furchtvoll den tückischen, kindlichen, blinden fleck

 

wo macht war die antwort

da warn wir im auge des sturms

 

dürfte ich bitten

stolz wär mir fremd und verlogen

ich  flehte auf knien um nichts 

als die winzige chance einer liebe

im schwachsein vertrauen

sich finden

mein freund

mit dir

  

 

 

 

 

 

 

 

 

10

 

für uns

 

 

vom kopfhaar geteilt bis zu den füßen

im holz unserer seele

zu scheiten geschlagen

stammloser haufen verhängnis unter ihr

 

wer schaut noch auf das richtende feuer

wenn schmerz verlässt mit steinernem gesang

was nicht mehr ist

wenn fahl und grau und fruchtbar aus zerfall 

ersteigt für uns 

 

der wahre sinn 

 

behauptung und krone des lebens

 

 

Der Garten der verlorenen Söhne, Soldaten auf dem Friedhof, Menschen am Kreuz mit hängenden Köpfen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 11

 

lanzarote

 

zwischen den jahren ist nicht ewig

durchstanden der tosende feuertanz

und  das gemäuer hinab rinnt schweflig und träg

sein stummer nachhall 

 

lebensgrau, aschenen atems

schattengleich und wortlos steigst du ab

vergessener heimkehrer 

im handgepäck dein glimmendes souvenir

ich konnte es nie 

aber saug und sauge, um nüchterner und wehmütiger zu werden

ein vakuum, ein karren gebrochenen rades im schutt

 

und immer noch halluziniere ich blumen 

denk an lanzarote

fühlst du das feuer

asche ist fruchtbar

die insel lebt

verlässlich, klug und heiß 

fügt sie sich bebend höheren gewalten

 

wenn morgensonne durch weiße dünen zieht und

schicht für schicht steinerne höhen mit weichheit vergoldet

kommen die dankbaren stunden 

und aufrichtig teilen wir erinnerungen

tauschen verstohlene nähe

gegen ein herz und ein heim

 

gekommen und angekommen

treu und warm und haut an haut 

unter einem anderen himmel

zu einer anderen zeit

lanzarote

endlich bei dir

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 12

 

als die waffen liegen blieben

 

 

als die waffen liegen blieben

lernten wir das schweigen lieben

in der stille uns zurnieden

küsstest du mein haar

 

meine stirn und meine wangen

meine lippen zärtlich sangen

deinem atem folgte ich

staunend klang dein ja

 

und ich schaut in deine augen

deine freude,  deinen glauben

fand mich wieder unter sternen

eines himmels blau und klar

 

wir erfüllten uns sehr leise

auf die ehrfurchtsvolle weise

mit der unbeschwerten wärme 

unsrer liebe, ernst und wahr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13

 

leicht

 

heute tanze ich mit meinem veteranen

und man glaubt nicht 

wie leicht er sich bewegen kann

 

 

 

 

 

 

 

 

14

 

unterwegs

 

das blatt -

nur ein flüchtiger moment

aber mein gedanke ruht sich aus

an deiner seite

geht dann seinen weg

ein wenig erwärmt

den ganzen langen

tag

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15

 

ganz und gar

 

 

du bist die antwort

auf meine fragen - 

mann und frau

bruder und schwester

vater und tochter 

mutter und sohn

 

du bist der anker 

für meine träume

an land zu gehen 

 

du bist das schloss

aus dem ich atem hole

wenn die luft dünn ist

 

darüber hinaus

liebe ich dich

ganz und gar